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Pucón

Chile
Wenns mit dem Job nicht klappt, kann ich immernoch bisschen Schwefel im Vulkan abbauen
Nach einer maximal stickigen letzten Nacht im Hostel Aji mache ich mich auf den Weg nach Pucon. Angekommen am Busbahnhof in Santiago erwartet mich aber bereits ein heilloses Durcheinander. Hunderte von Busgesellschaften sind hier vertreten, deren Vertreter umherlaufen und irgendein Zeug schreien. Es gibt keine Anzeigetafeln und ich habe zunächst keinen Schimmer, von wo mein Bus abfahren soll. Mit meinem nach einer Woche Sprachkurs fast makellosen Spanisch versuche ich, Informationen über Abfahrtsort und Abfahrtszeit meines online gebuchten Busses zu bekommen. Nach ein paar kläglichen Versuchen beschließe ich jedoch, mich an den Schalter des Busunternehmens zu stellen und zu warten, bis mich jemand bei der Hand nimmt.

Tatsächlich kümmert man sich um mich und bringt mich rechtzeitig zum Bus und ich nehme in der ersten Reihe des oberen Decks platz. Doch anstatt komfortablem Reisen und perfekter Sicht durch die Frontscheibe verbringe ich die zwölf Stunden Fahrt damit, mit meinem gut übergewichtigen Sitznachbar um die mittlere Armlehne zu ringen und verfalle immer wieder in Powernaps, da die Klimaanlage im Bus nicht mehr als ein laues Lüftchen zur Verfügung stellt und die Sonne unbarmherzig meinen Körper brät. Die Powernaps geben mir so ziemlich alles außer Power und ich bin sehr froh endlich in Pucon anzukommen. In Pucon erwartet mich wider Erwarten jedoch nicht das lang ersehnte, gemütliche Bett sondern ein bunt gemischter Haufen Reisender, mit denen ich in der Nacht noch zu einer Party losziehe, die als eine Mischung aus Abiball und lateinamerikanische Undergroundparty rüberkommt.

Der Folgetag besteht darin, durch den Ort zu wandern, das Badewasser am See auszuprobieren und am wichtigsten: der Organisation des montäglichen Vulkan-Hikes. Für etwas über 100 Euro (laut eigener Werbung "best price in town", ein wahrer Klassiker) wird man mit Bergsteigeequipment ausgestattet, zum Vulkan gefahren und einem hoffentlich professionellen Guide zum Krater des aktiven Vulkans Villarocca geführt. Der wohl maximal spektakuläre Super Bowl LI des Abends wird zur Randnotiz, denn früh schlafen gehen ist angesagt.

Als der Wecker um 5.30 klingelt bin ich schon eine halbe Stunde wach, die innere Uhr steht auf Vulkanbesteigung. Der Gruppenführer Rodrigo, der uns mit Schuhen, Rucksäcken, Steigeisen und Helmen ausstattet, wirkt mit seiner Vin-Diesel-Pitch-Black-Brille, abgefahrenem Kopftuch, seiner Zahnspange und seiner Sopranstimme zwar nicht gerade wie ein seriöser und vertrauenswerter Reiseleiter. Wenn man jeden Tag auf einen aktiven Vulkan klettert, muss man aber vermutlich auch ein bisschen crazy sein. Die erste Stunde des Aufstiegs vergeht wie im Flug, für einige sogar buchstäblich, da sie den Lift zum ersten Treffpunkt nehmen 8-) . Die zweite und dritte Stunde laufen weiterhin vergnügsam vorüber, bis wir schließlich die Gletscherzunge erreichen. Mit dem Eispickel ausgestattet nähern wir uns nun im Schneckentempo auf Serpentinen dem Gipfel. Die wenigen Momente, in denen man die Monotonie des Eispickeleinschlagens - linken Fuß setzen - rechten Fuß setzen, ausblendet und aufschaut sind dafür überwältigend. Im Tal links liegt Pucon in strahlendem Sonnenschein am See, zur Rechten sind weitläufige Andenzüge zu sehen und vor mir erstreckt sich eine lebensfeindliche Landschaft aus Vulkangestein und Gletschereis. Nach fünf Stunden erreichen wir mit müden Oberschenkeln den Gipfel - unter uns ein 77 jähriger Deutscher sichtlich müde aber glücklich. Nachdem wir unseren Fünfminutenslot am Krater nicht nutzen können, um tatsächlich Lava zu sehen, sondern uns mit jeder Menge Schwefeldämpfe und Lavageglucker zufriedengeben müssen, erschleicht mich eine kurze Angst, den gleichen Weg zurückkletten zu müssen. Unsere Guides geben aber Entwarnung, dass nun der "fun part" kommt. Überraschenderweise rutschen wir, teilweise auf Plastiktellern, teilweise auf dem Hosenboden, wie der Hackelschorsch durch eine Art Eiskanal und schaffen so die Hälfte des Abstiegs in wenigen Minuten. Rodrigo gibt schließlich in einer hinreichend ekligen Art und Weise den Mädels (als Belohnung?) einen Kuss auf die Backe und bringt uns auf ein Abschlussbier zurück ins Hostel.

Die nächsten Tage im Hostel nutze ich hauptsächlich für zwei Dinge: endlich Mal Sonne an meine für 4 Wochen Südamerikareise viel zu weiße Haut zu lassen und um irgendwie an Cash zu kommen. Auf völlig unerklärliche Art und Weise befindet sich meine Kreditkarte nicht mehr im Portemonnaie, alles andere ist da. Man sagt ja, manche Dinge schätzt man erst, wenn man sie verliert. Eine Kreditkarte gehört in der Servicewüste Chile definitiv dazu. Ich entscheide mich kurzfristig, Mendoza, Cordoba und Rosario zu überspringen und ab Buenos Aires weiterzumachen. Sollte in der Gegend etwas passieren, kann ich schließlich jederzeit kurzfristig nach Hause fliegen. Wen die Lust packt, lustige Geschichte zu hören über Bankbürokratie und über Methoden, wie man nicht an Geld kommt, kann sich gerne bei mir melden. Ich werde sie ihm/ihr gerne erzählen.

Am letzten Tag entschließe ich mich trotz meiner andauernden Erkältung eine Kajaktour zu machen, um nicht den ganzen Tag nur im Hostel rumzuhängen. Die Sicht auf den Vulkan, das warme und saubere Wasser sowie die interessanten Gespräche mit zwei Israelis und einer Amerikanerin über Gott und die Welt runden den Abstecher nach Pucon ab. Jetzt heißt es Sachen packen und ab mit dem Nachtbus nach Santiago. Dort erwarten mich ein altbekanntes Hostel, ein paar Leute aus der Spanischklasse und hoffentlich etwas weniger kalte Nächte.
Auf dem Weg nach Pucon erkennt man langsam einen Vegetationswechsel. Alles wird grüner
Laut Hostelworld das "beste Hostel Lateinamerikas"
Am Morgen des Aufstiegs fliegen die weniger fitten über uns her
Kurz vor dem Gletscher
Ab und zu fällen leider ein paar Felsen runter
Monotonie des Bergsteigens
Sprödes Vulkangestein lässt sich locker mit den Händen zerbrechen
Ausblick von oben
Geld sparen durch selber kochen (no tengo trajeta mas)
Noch so ein Ausblicksbild zum Schluss

Pucón

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