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/ Südamerika - no hablo espanol

Santiago

Chile
Adios Señor
Santiago... Hier wollte ich doch eigentlich gar nicht hin. Im Endeffekt entpuppt sich jedoch Santiago als wahrscheinlich der Ort mit meiner längsten Aufenthaltsdauer. Angekommen aus Valparaiso verfolgen Thilo und ich weiterhin unseren Turbotourismus, besuchen noch am ersten Nachmittag in Santiago das Gedenk- und Menschenrechtsmuseum, welches die Verfolgung und Inhaftierung politischer Gegner der Pinochet-Diktatur thematisiert und bestaunen den mittlerweile zwanzigsten Plaza de Armas in Südamerika bei einer Open Air Ballettaufführung.

Santiago fällt sofort als die bei weitem fortschrittlichste Stadt auf, die wir auf unserer Reise besucht haben. Vielerorts haben die Preise europäisches Niveau oder sogar darüber, Einkaufsläden sind klimatisiert und die Verkehrsinfrastruktur mit Ubahn funktioniert makellos. Dennoch stechen stets südamerikanische Eigenarten hervor, wie ein Essensverkäufer, der einen selbstgebauten Gasherd in einen Einkaufswagen integriert hat und in einem Wok Hähnchengerichte für kleines Geld brät, jede Menge Straßenkünstler an den Ampeln und Streetart an den Häuserfassaden. Außerdem finden sich Montag bis Sonntag bis spät in die Nacht Leute in Restaurants und Bars, die dem Leben fröhnen.

Thilos letzte Reisetage verbringen wir mit klassischem Sightseeing am Tag, nächtlichen Tanzversuchen zu Salsa-Livemusik in Bellavista und meiner Anmeldung bei einer Sprachschule. Ab kommendem Montag (30.01.) werde ich einen einwöchigen Sprachkurs Spanisch machen, um dann weiter gen Süden zu ziehen. Freitagmittag ist es schließlich soweit und Thilo macht sich auf zum Flughafen. Wir beide bedauern es sehr, dass wir diese Reise nicht weiter zusammen machen können, aber manche Leute haben schließlich einen Job. Von nun an erwarte ich einen etwas anderen Reisestil, was mich einerseits vorfreudig, andererseits wehmütig werden lässt.

Als am Montagmorgen um 8 der Wecker klingelt, die Luft im fensterlosen Sechsbettzimmer zum schneiden ist und ich mich nach 5 unruhigen Stunden Schlaf zur Sprachschule schleppe, ist die Lust auf Spanisch lernen doch ein wenig limitiert. Unsere Lehrerin Valentina, vier Jahre jünger als ich, begrüßt uns aber dermaßen enthusiastisch, dass man gar nicht länger schlecht gelaunt sein kann. Die Klasse der nächsten Woche setzt sich zusammen aus Patrick, einem ganz netten Holländer, der allerdings jedem die gleiche Kassette reindrückt, der strebsamen Sophie, einem blonden deutschen Mädchen, was sich weigert, mit mir auf Deutsch zu sprechen, einem weiteren sehr schweigsamen Holländer, einer mit Sommersprossen übersähten, ziemlich verunsicherten 18 jährigen Irin, dem 50 jährigen Brasilianer Alejandro und Frederica aus Turin, die klassische Klassenbeste. Kurzum eine sehr gemischte Truppe.

Die erste Stunde verbringe ich damit, mich selbst zu beruhigen, als unser brasilianischer Kollege in einem Kauderwelsch aus Portugiesisch, Spanisch und seiner eigenen Phantasiesprache ständig irgendwelche Dinge aus seinem Lehrbuch laut liest, während Valentina uns die Grammatik erklärt. Selbst Valentina versteht kein Wort von dem, was Alejandro da vor sich hinmurmelt und der Fortschritt wird dadurch limitiert, da niemand wirklich weiß, ob Alejandro mit uns oder mit sich selbst spricht. Meine Versuche, ihn zu bitten nicht in einer Tour zu prappeln, scheitern zunächst an meinen Portugiesisch- beziehungsweise seinen Englischkenntnissen. Die gute alte Zeichensprache lässt mich ihm schließlich meine Situation vermitteln, trotz seines Bekenntnisses zur Besserung bessert sich in den kommenden Stunden zwar gar nichts, aber ich konditioniere mich, Mal ein bisschen weniger deutsch und ein bisschen mehr Südamerikaner zu sein.

Die Tage in Santiago vergehen damit, zur Schule zu gehen, ein bisschen Sport zu machen und abends auf das ein oder andere Bier in das Szeneviertel Bellavista zu gehen. Die Hausaufgaben werden sporadisch hingeschmiert und ich bin irgendwie doch sehr froh, dass das mit der Schule vorbei ist. Mal sehen was ich in 2 Monaten dazu sage, wenn meine Augen wie das PowerPoint Zeichen aussehen.

Auf meine Anfrage bei meinem gebuchten Hostel in Pucon, inwieweit die Brandsituation dort kritisch sei, bekomme ich mittlerweile Entwarnung. Am Samstag werde ich somit den Bus Richtung Süden nehmen und in dem etwas gemäßigten Klima der Seenregion entspannen und wandern gehen.
Habe meinen Synthetikstrohhut gegen eine zu große Kappe eingetauscht
Live-Musik in der Salsabar
Fischmarkt
Ausblick vom Cerro Christobal ist beeinträchtigt durch die Feuer im umliegenden Chile
Der Eingang zur Sprachschule
Neben deutschen Namen sieht man hier ständig unterschwellig die Farbenkombination Schwarz Rot Gold
Cerro Santa Lucia

Santiago

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