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Uyuni

Bolivien
Unser Schandauto und Almer
Mittwoch, 18.01.2017
Ein leicht untersetzter Bolivianer mit einem halben Liter Sonnencreme im Gesicht, der sich als Dario vorstellt, holt uns gegen 7:30 im Hostel ab. Nach und nach sammeln wir zu Beats von Paul Kalkbrenner unsere zwölfköpfige Gruppe für den Trip nach Bolivien ein. Keine Ahnung woher ein vielleicht vierzig jähriger Bolivianer die Musik eines deutschen DJs bekommt, aber seine Imitationen der Beats drücken in jedem Fall sein Gusto aus. Spätestens als wir um 9:30 immernoch in SPA rumgurken, weil der brasilianische Anwalt Rodrigo seine Socken vergessen hat, bekundet allerdings Thilo seine Missgunst. Er war ohnehin zu Beginn nicht sehr begeistert, in die Wüste zu fahren. Es sollte sich aber herausstellen, dass sich die holprige Anreise und das viele Verhandeln en espanol gelohnt hat. Rodrigo wäre aber vermutlich auch ohne seine Lieblingssocken klargekommen.

An der Grenzüberquerung zu Bolivien in 4000 Metern Höhe tauschen wir unseren Mercedesbus gegen zwei 4x4 Jeeps. Bereits das Frühstück auf dieser Höhe ist unfassbar anstrengend. Man hat das Gefühl, entweder essen oder atmen zu können. Am ersten Reisetag Richtung Uyuni passieren wir einen See mit Flamingos, schneebedeckte Berge, einfach eine atemberaubende Andenlandschaft ohne jegliche Zivilisation soweit das Auge reicht. Unser Tourguide Almer, ein 24-jähriger hagerer Bolivianer, überschüttet uns von Anfang an mit Informationen auf Spanisch und wir versuchen mit vereinten Kräften, zu verstehen, was er sagt. Equipo Almer, das sind Megan und Jerry aus Kanada, Anie aus Irland, David aus England, Thilo und ich.

Auch wenn wir mit Almer jede Menge technische Abenteuer erleben, wächst er uns im Laufe des Trips ans Herz. Zunächst lässt sich ein Fenster nicht mehr hochstellen, sodass es in den Jeep reinregnet und mein gesamtes Bein nass ist. Zum Glück bin ich schon erkältet, also alles halb so wild. Daraufhin wird die Verkleidung der Tür aufgebrochen und Almer deaktiviert oder zerstört, man weiß es nicht, die Fensterelektronik des ganzen Autos. Fortan lüften wir, indem wir von Zeit zu Zeit die Türen öffnen, sobald es die Staubsituation zulässt. Jerry entwickelt einen Algorithmus, wann und in welcher Kombination man welche Türen entsprechend der Staubsituation öffnen kann. Das baldige Versagen der Scharniere nehmen wir dabei gerne in Kauf. Ein wenig später merkt Almer, dass das linke Hinterrad eiert. Als wir anhalten, ist eine Schraube an der Felge gebrochen, vorne fehlt eine und so ziemlich alle Schrauben sind... nennen wir es Mal handfest. Am zweiten Tag rappelt das rechte Hinterrad, worauf Almer Mal sicherheitshalber die Bremse ausbaut. Drei bremsen für ein Auto sollten schließlich ausreichen. Er versorgt uns aber bestens mit Essen und Informationen, ist immer als erstes wach, fragt ständig lachend ob "todo bien" ist, hält das Auto sauber und sorgt für Stimmung. Man kann ihm eigentlich nicht böse sein, auch wenn das Auto langsam auseinander fällt und ein echtes Sicherheitsrisiko darstellt.

Die erste Nacht verbringen wir in einem Refugio in der bolivianischen Einöde. Eine Frau mittleren Alters tischt mit ihrer Tochter eine Suppe und Spaghetti Knoblaucho für uns auf, bevor vier kleine Jungs in traditionellen Kostümen eine musikalische Darbietung vorführen. Das Essen schmeckt fürchterlich, die Vorführung wirkt ziemlich verunsichert und so richtig komm ich mit dem Rhythmus der Jungs nicht mit, aber was solls. Schlummerzeit.

Auch der zweite Tag ist geprägt von atemberaubender Landschaft und technischen Problemen. Nach dem Nachfüllen der Bremsflüssigkeit geht die Bremse endlich gar nicht mehr. Der volle Bremsweg hat null Wirkung. Almer fährt nur noch mit Motorbremse und fragt nach "musica por favor", um die Warnsignale zu übertönen. Abgesehen von unseren zwangsläufigen Zwischenstopps sehen wir aber jede Menge Lamas und Flamingos, abgefahrene Felskonstellationen, den Anaconda Canyon, abgelegene Seen und trinken in einer bis auf 10 Einwohner verlassenen Stadt Quinoa- und Coca-Bier. Landschaft top, Technik flop. Aber muy flop. Eine Spur aus Bremsflüssigkeit hinter uns herziehend schaffen wir es trotzdem irgendwie ins Salzhotel. Eine abgefahrene Behausung, im Vergleich zu den Nächten davor im Bus, im Refugio oder in SPA aber schon fast Luxus. Nach dem gemeinsamen Essen wird Thilo noch von der Duschpolizei erwischt, welche er souverän unwissend mit "gracias, todo bien, buenas noches" abbügelt und somit den Hotelchef um 9 Uhr abends ins Bett schickt, als dieser die Gebühr von 10 Bolivianos für eine heiße Dusche einsammeln will. Als ich Thilo über die Situation aufkläre, folgen unzählige Lachsalven, bis wir schließlich einschlafen.

Am dritten Tag klingelt der Wecker um 4.30. Eigentlich schon um vier, aber Thilo liefert sich einen heißen Wettkampf mit der Snoozefunktion. Almer, der, wie sich herausstellte, Elmer geschrieben wird, hat nur vier Stunden geschlafen und das Auto repariert. Im Reiseführer steht zwar, dass bei den Trips nach Uyuni die Fahrer als Guide, Koch und Mechaniker fungieren. Mir wäre es mittlerweile lieb, müsste Almer nur noch zwei Rollen bekleiden.

Als wir losrollen, die Sterne verblassen und man langsam erste Dämmerung am Horizont wahrnimmt erfolgt unmittelbar die Entschädigung für alle technischen Strapazen, dünnen Suppen und eingepferchtes Sitzen. Wir fahren durch das knöchelhohe, extrem salzige Wasser der Salar der Uyuni. Als wir anhalten, in das eiskalte Wasser stapfen und die Salzkristalle an unseren Füßen spüren, erscheinen die ersten roten und gelben Farbsinfonien, die sich perfekt im Wasser spiegeln. Der Fotofinger glüht und wir bestaunen das etwa halbstündige Spektakel in der 12000 Quadratkilometer großen Salzwüste auf weit über 3000 Metern Höhe. Ich weiß, ist ein Reiseblog, aber ihr sollt ja auch was lernen.

Wir fahren einmal durch die ganze Wüste durch, machen (ich nur teilweise und etwas murrisch) die obligatorischen Sprungbilder und knie mich für Thilo in das Salzwasser, fahren nach Uyuni downtown, um einen Zugfriedhof anzuschauen, verabschieden uns von unserem Freund Almer und fahren mit Wilson wieder zurück Richtung SPA. Allerdings ist ein Zwischenstopp in der ersten Bleibe dieses Trips notwendig, worauf wir alle gut verzichten könnten. Denn wieder gibt es Spaghetti Knoblaucho, reudige Pilzsuppe ohne Pilze, die ich allerdings diesmal nicht anrühre, und die Jungs vom örtlichen Traditonsorchester leiern die gleichen drei Lieder runter. Unser Enthusiasmus wird getoppt, als Wilson uns mitteilt, dass wir morgen um 4.00 Uhr aufstehen sollen.

Schlussendlich war dieser Reiseabschnitt landschaftlich atemberaubend, technisch abenteuerlich, international und persönlich spannend und allein aufgrund der etwa 300 geschossenen Fotos unvergesslich. Jeder, der ein bisschen leidensfähig und zufällig in der Nähe des bolivianischen Südens ist, sollte diese Tour machen.
Die Steine sehen aus wie ein Kamel, hat Almer gesagt
Equipo Almer auf Kamelsteinen
Zwischendurch weicht die karge Wüstensteppe immer Mal wieder grünen Gebieten
Nein, das ist kein Vorhang im eigentlichen Sinne, sondern unser Fenster
Bolivien - Uyuni - Zwischenstopp in der verlassenen Stadt mit lokalen Bieren 1
Zwischenstopp in der verlassenen Stadt mit lokalen Bieren
Auf dem Weg zur Salar
So richtig haben wir nicht verstanden, was das soll. Ist die Rallye Dakar nicht woanders?
Herrliches Gefühl, die Jacke aus dem Packpack vom Dach des Jeeps zu holen. Eiskaltes Wasser an den Füßen und kalte Luft obberum
Salar de Uyuni
Angekommen in der Salzwüste Salar de Uyuni beginnt das Fotoshooting
Sonnenaufgang in der Salar de Uyuni
Jemand Lust auf eine Dusche? Refugio der ersten und letzten Nacht
Hat sicher schonmal jemand besser gemacht. At least we tried
Aus der Perspektive sieht unsere Karte ja sogar gut aus

Uyuni

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