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/ Route 66 by E-Bike / From Chicago to Santa Monica
1. Etappe 09.05.2019 / Chicago - Joliet / 85 Km, 460 Höhenmeter
Nervös ja, Vorfreude noch mehr ja, Jetlag immer noch vorhanden und um 4 Uhr sind beide wach. Packen, Velos in den Lift zwängen und ganz allein in der Lobby Kaffee trinken. Zudem leicht berieselt mit Chicago Jazz. Wow, was für ein Augenblick.
Danach mehr Hektik mit der Vorbereitung zur Abfahrt und die Angestellten sind sehr interessiert was da abgeht. Morgens um sieben, Regen in Strömen. Roli montiert alles was noch zu machen ist und pünktlich zu unserer Abreise kein Regen mehr!!!!!!
Morgenverkehr Chicago, absolut ein Abenteuer mit dem Velo und nach 1 km ein Halt. Ich kurz zu Roli, der noch grössere Verlegungschaot als ich; "Hast du alles?", um anschliessend gleich zu bemerken, dass mir der Rucksack fehlt. Schon wieder, wie letztes Jahr, als ich auf Tour war und ich meinen Rucksack am Rhein in der Nähe der Rheinfälle einfach liegen liess und die weitere Story kennen ja einige ...
Mit viel Tempo durch den Verkehr retour und die Frau von der Rezeption empfing mich mit einem breiten Lachen. Nun war auch ich ausgerüstet und ich sage euch gleich: Alles wird niemals in L. A. ankommen 😊
Startpunkt, knipsen, Asiaten die gleich mitknipsten, Leute, die sich interessierten und danach Block für Block, Ampel für Ampel raus aus Chicago. Wir waren die Exoten des Tages, denn Fahrräder sieht man schlicht und einfach keine. Rolis Navigation funktionierte bestens und so fuhren wir an einigen alten Diners vorbei. An einer Kreuzung trafen wir tatsächlich einen weiteren Velofahrer, ca. 30 Jahre alt, der uns fragte, wo es hingeht. Auf die Antwort, nach L. A., antwortete er: "Oh my Gooood“. Die Strassen, auf denen wir fuhren, wären bei uns Autobahnen und eines muss man sagen, die Amis nahmen Rücksicht auf uns und sie blieben immer cool mit dem Daumen nach oben. 30 km gefahren, der Verkehr etwas lockerer und die Laune mit den schönen Eindrücken bestens. Pause beim Aldi 😊, nebenan ein Harley Shop mit Übungsbahn für angehende 66 Fahrer.
Die traute Ausfahrt änderte sich nach ca. 35 km. Rolis Navigation ist zwar perfekt ausgearbeitet, aber was machen, wenn plötzlich die Brücke über den Des Plains River fehlt und wir weg von der eigentlichen Route kommen. Rolis Laune gegenüber der Technik änderte sich schlagartig, da sein Carmin nicht nachrechnete und es kamen keine Vorschläge, um zurück auf die Route zu kommen. So machten wir halt noch einige km mehr als nötig und zudem fuhren wir auf einem vielbefahrenen 4-spurigen Highway.
Habe ich schon erwähnt, dass wir den ganzen Tag Gegenwind hatten und gegen Abend frischte es natürlich noch auf. Als wir vor Joliet wieder auf die geplante Route stiessen, kam auch Roli wieder zum Busch hinaus und seine geliebten, vorgesehenen Stopps wurden wieder angefahren.
Höhepunkt sicherlich das geschlossene Gefängnis in Joliet. Dort wurde im Film Blues Brothers nämlich „Joliet“ Jake Blues (John Belushi) von seinem Bruder Elwood Blues (Dan Aykroyd) in einem ausgemusterten 1974er Dodge Monaco der Mount Prospect Police abgeholt, als er entlassen wurde. Obwohl wir heute einige Male das Strassenverkehrsgesetz überschritten haben, sahen wir das Gefängnis nur von aussen, trotzdem sind wir nun unterwegs im Auftrag des Herrn 😊.
Danach durch Joliet zum legendären Rialto Theater, dass 1926 eröffnet wurde und ab ging es auf Motel suche. 3 x ausgebucht, doch im Rodeway Inn fanden wir die Nachtruhe, die wir nach einer, auch mental, viel Verkehr, viele Ampeln, Umwege, 10 Stunden unterwegs, dafür aber keinen Tropfen Regen, schwierigen Fahrt verdient hatten.
Insiderwissen
Folgend Ortschaften durchquert man auf der Route 66 durch Illinois:
Chicago – Cicero – Berwyn – Lyons – McCook – Countryside – Indian Head Park – Welco Corners – Romeoville – Joliet – Elwood – Wilmington – Braidwood – Godley – Braceville – Gardner – Dwight – Odell – Cayuga – Pontiac – Chenoa – Lexington – Towanda – Normal – Bloomington – Shirley – Funks Grove – McLean – Atlanta – Lawndales – Lincoln – Broadwell – Elkhart – Williamsville – Sherman – Springfield – Glenarm – Pawnee Junction – Divernon – Farmersville – Waggoner – Litchfiled – Mt. Olive – Staunton – Hamel – Edwardsville – Mitchell – Granite City – Venice
Ursprüngliche Route (Chicago nach St. Louis):
Chicago - Chicago – Cicero – Berwyn – Lyons – McCook – Countryside – Indian Head Park – Welco Corners Romeoville - Joliet - Preston Heights - Elwood - Wilmington - Braidwood - Godley - Braceville - Gardner - Dwight - Odell - Cayuga - Pontiac - Chenoa - Lexington - Towanda - Normal - Bloomington - Shirley - Funks Grove - McLean - Atlanta - Lawndale - Lincoln - Broadwell - Elkhart - Williamsville - Sherman - Springfield - Chatham - Auburn - Thayer - Virden - Girard - Nilwood - Carlinville - Gillespie - Benld - Sawyerville - Staunton - Livingston - Hamel - Edwardsville - Collinsville - Granite City - Madison - Venice - East St. Louis
Spätere Route (Springfield nach St. Louis):
Lake Springfield - Glenarm - Divernon - Farmersville - Waggoner - Litchfield - Mt. Olive - Benld - Sawyerville - Staunton - Livingston - Hamel - Edwardsville - Collinsville - Granite City - Madison - Venice - East St. Louis
„Was bringt das denn überhaupt, die Route 66 zu fahren? Ein originales Teilstück der Route 66 existiert doch eh nur noch zwischen Seligman und Kingman im Bundesstaat Arizona.“
Gut, na schön, sehen wir uns dieses historische Schmuckstück doch einmal näher an:
Sieht nicht nur aus wie eine moderne Landstraße, sondern sie ist es auch. Auf neuem Asphalt führt diese gut ausgebaute breite Straße inklusive Seitenstreifen schnurgerade dem Horizont entgegen. Wow. Das ist ohne Übertreibung schon beeindruckend, denn so etwas haben wir in der Schweiz nicht, doch ist das weit entfernt vom Mythos Route 66? Man erwartet doch eher eine kleine Straße, wo man das Gefühl des Aufbrechens Richtung Westen unter erschwerten Bedingungen nachempfinden kann. Man erwartet Relikte vergangener Tage, verschlafene Orte, die von der vergangenen Glanzzeit zeugen. Oder etwa nicht?
Jetzt die gute Nachricht: Diese Teilstücke existieren noch! Nur mit dem Wegfall der offiziellen Markierung sind diese in Vergessenheit geraten, was sie dadurch in meinen Augen nur noch interessanter werden lässt. Man wird zum Entdecker. Und es gibt vieles zu entdecken.
„Jaja, einzelne kleine Stücke gibt es noch, aber meistens fährt man doch eh nur auf einer Frontage Road neben der Interstate.“
Wieder so ein schönes Vorurteil. Wer sich mal intensiver mit dem Routenverlauf auseinandergesetzt hat, wird feststellen, dass insgesamt 65,3% der Strecke fern abseits der Interstates verläuft. Nur 20,9% verlaufen als Frontage Road direkt neben der Interstate und 13,8% der Gesamtstrecke verbringt man auf der Interstate.
Und was dabei viele überrascht: Arizona kommt dabei gar nicht so gut weg. Innerhalb von Arizona führt 36,4% der Strecke über die Interstate, in Oklahoma dagegen nur 0,2%.
Der Grund: Im Osten ist die Ortsdichte höher, die untereinander mit einer klassischen Landstraße verbunden sind. Im Westen hat man sich dagegen vielerorts den Luxus verkniffen, mehrere Straßentypen parallel zu führen und hat die ehemalige Landstraße einfach nur um eine weitere Fahrbahn erweitert und daraus eine Autobahn gebildet.
Insiderwissen
Cicero
Einst war Cicero eine Gangsterhochburg zu Zeiten des Al Capone, der 1924 hierher zog, um dem Arm der Chicagoer Polizei zu entkommen. Unzählige Geheimtunnel durchzogen die Stadt. Heute ist Cicero aber gefahrlos zu besuchen. Einst nahm Cicero eine größere Fläche ein als heute, bevor sich Städte wie Oak Park oder Berwyn selbstständig machten.
Cindy Lyn Motel in Cicero
1952 eröffnete dieses Motel mit dem markanten Werbeschild in Form einer Malerstaffelei.
Henry's Drive In in Cicero
Bekanntes Restaurant, wo die Hot Dogs schon eine ganze Mahlzeit ausmachen. Erkennbar am großen Hotdog im Werbeschild.
Robin Hood Muffler Shop in Cicero
Alteingesessene Werkstatt, die schon zu Zeiten der glorreichen Route 66 Auspuffanlagen, Stoßdämpfer und mehr reparierten.
Berwyn
Die Gegend um Berwyn wurde erstmalig 1846 erwähnt, als man eine Straße von Chicago nach Ottawa, IL baute, doch die Entwicklung war recht zäh, weil niemand an sumpfigem Grasland interessiert war. Um die Attraktivität zu steigern, verkaufte man 1862 einiges Land an die Burlington and Quincy Railroad. Eine Eisenbahnlinie wurde dann auch tatsächlich 1864 eröffnet, hielt jedoch nur in LaVergne. In 1890 kauften Charles E. Piper und Wilbur J. Andrews aus Chicago größere Mengen Land, um es zu entwickeln. Und sie wollten, dass die Eisenbahn auch in ihrer Siedlung halten würde, doch diese hatte bereits einen Bahnhof in LaVergne, so dass auch hier Eigeninitiative gefragt war. 1901 bauten sie selbst einen Bahnhof und brauchten nun nur noch einen Namen dafür. Sie blätterten in einem Fahrplan aus Philadelphia herum und fanden den Namen "Berwyn" ganz nett, so dass sie ihre Siedlung nach dem Vorort von Philadelphia benannten. 1908 wurden Berwyn die Stadtrechte verliehen. In Berwyn gab es verschiedene Führungen der Route 66. Vor 1928 geradeaus über die Ogden Ave, nach 1928 wie auf der Karte abgebildet, links ab auf die Harlem und direkt auf die Joliet Road.
Lyons
In den 1980er Jahren noch war Lyons bekannt für seine Kriminalität, Korruption und Nachtclubs, doch schon ein Jahrzehnt später wurde der Ort gründlich umgekrempelt und sein Image poliert.
McCook
McCook wurde nach John J. McCook benannt, dem Direktor der Santa Fe Railroad im späten 19. Jahrhundert. Wie passend, denn in McCook wurden von 1935 bis 1991 Diesellokomotiven hergestellt. Nachdem der Mutterkonzern General Motors die Produktion nach London, Ontario verlegte, werden hier heute nur noch Einzelteile hergestellt.
Countryside
Bis 1871, als das große Chicagoer Feuer tausende Flüchtlinge in diese Region brachte, war die Gegend um Countryside einzig von Landwirtschaft geprägt. Um 1960 bekam Countryside Stadtrechte, nachdem immer mehr Industrien in das Chicagoer Umland zogen und nach dem Zweiten Weltkrieg einen wahren Bauboom auslösten.
Wishing Well Motel in Countryside
Das Wishing Well Motel wurde 1941 erbaut und bestand damals aus 10 separat stehenden Cabins. Es wechselte mehrmals den Besitzer, so auch 1958, als das Motel in den Besitz der Familie Vidas überging, die es modernisierten und die einzelnen Cabins zu einem Gebäude mit 19 Zimmern vereinigten. Vom Motel aus konnte man den Sears Tower von Chicago sehen, wohnte aber fernab der hektischen Großstadt gegenüber einem kleinen Wald, der zum Spazieren einlud. 2007 wurde es abgetragen und das Motelschild ins Route 66 Museum nach Pontiac gebracht.
Indian Head Park
Nördlich der Stadt existiert eins der letzten Camps der Potawatomi Indianer.
Welco Corners
Nach 1940 wurde die Route 66 über Plainfield geführt und damit Joliet umgangen. Meine Beschreibung folgt dem Verlauf vor 1940 durch Joliet, weil es erstens der ältere, historische Weg ist und zweitens, weil die Strecke wesentlich interessanter ist und einiges am Wegesrand zu bieten hat.
Hastert's White Fence Farm in Welco Corners
Restaurant seit den frühen 1920er Jahren, heute inklusive Streichelzoo und einem antiken Automuseum.
Romeoville
Ursprünglich hieß die in den 1830 gegründete Ortschaft "Romeo". Als jedoch der Nachbarort "Juliet" 1845 in "Joliet" umbenannt wurde, war es scheinbar mit der Liebe der beiden dahin, so dass auch "Romeo" umbenannt wurde. Der Ort rühmt sich gerne damit, dass der Kalkstein aus dieser Gegend benutzt wurde, um das State Capitol in Springfield, IL zu erbauen, weswegen Romeoville auch den Spitznamen "Stone City" (Steinstadt) trägt. Die Kalksteinvorkommen sicherte der kleinen Stadt ihr Überleben, bis sich der neue Baustoff Beton durchsetzte.
Joliet
Das 1834 gegründete Juliet wurde 1845 zu Ehren des kanadischen Entdeckers Louis Joliet umbenannt (der die Gegend 1673 erkundet haben soll) und eine "Städteliebesgeschichte" von Romeo und Juliet endete. In der Stadt kreuzten die zwei wichtige Bundesstraßen der USA, der Lincoln Highway (heute US-30) und natürlich die Route 66. Auch heute kreuzen sich zwei wichtige Autobahnen in der Nähe der Stadt, die parallel zur Route 30 und Route 66 gebauten I-55 und I-80, weswegen sich Joliet gerne "Crossroads of Mid-America" nennt und dies sogar im Stadtwappen steht. In der Stadt gibt es zwei schwimmende Casinos, die auf Booten im Fluss unterbracht sind, da die Rechtslage auf dem Wasser eine andere ist als an Land, was auch schon während der Prohibition zu schwimmenden Saloons führte. Außerdem zieren mehrere meterhohe Wandgemälde die Stadt.
Rich & Creamy Eisdiele / Route 66 Park in Joliet
Die Stadt Joliet restaurierte eine typische Eisdiele, wie sie zu Glanzzeiten der Route 66 mehrfach anzutreffen war und richtete dahinter den Route 66 Park ein, von dem das Collins Street Staatsgefängnis zu sehen ist. Es wurde 1858 erbaut und 2002 geschlossen. Berühmtheit erlangte es als Drehort für den Film "Blues Brothers" und die TV-Serie "Prison Break".
Ruby Street Bridge über den Des Plaines River
Die Brücke wurde 1935 erbaut und ist über 120m lang. Die Brücke kann für die Durchfahrt von großen Schiffen geöffnet werden. Direkt hinter der Brücke schließt sich die Innenstadt an.
Route 66 Welcome Center im Joliet Area Historical Museum in Joliet
Visitor Center, wo man eine Menge nützlicher Informationen über die Route 66 erhalten kann.
Rialto Square Theatre in Joliet
1925 wurde dieses Theater erbaut, in dem auch Al Capone gerne verkehrte. Das Foyer ist sehenswert und eine Anlehnung an den Spiegelsaal des Palastes von Versailles in Frankreich.
Bicentennial Park in Joliet
Park am Ufer des Des Plaines River mit Ausblick auf die Altstadt und den historischen Brücken. Er wurde 1976 zur 200 Jahrfeier der USA eröffnet.
Union Station in Joliet
1912 erbaut, stammt dieser Bahnhof aus der Glanzzeit der Eisenbahn. Der große pompöse Ballraum kann heute für Privatveranstaltungen wie Hochzeiten oder Firmenjubiläen gemietet werden.Heute steht der Bahnhof mit seinen über 15m hohen Wänden auf einer nationalen Denkmälerliste.
Jacob Henry Mansion in Joliet
Im Jahre 1876 baute der Eisenbahn-Tycoon Jacob Henry ein Eigenheim der Superlative mit 40 luxuriös eingerichteten Zimmern. Das Haus kann heute besichtigt werden und gilt als eins der besten Beispiele der Renaissance Wiedergeburt.
Nervös ja, Vorfreude noch mehr ja, Jetlag immer noch vorhanden und um 4 Uhr sind beide wach. Packen, Velos in den Lift zwängen und ganz allein in der Lobby Kaffee trinken. Zudem leicht berieselt mit Chicago Jazz. Wow, was für ein Augenblick.
Danach mehr Hektik mit der Vorbereitung zur Abfahrt und die Angestellten sind sehr interessiert was da abgeht. Morgens um sieben, Regen in Strömen. Roli montiert alles was noch zu machen ist und pünktlich zu unserer Abreise kein Regen mehr!!!!!!
Morgenverkehr Chicago, absolut ein Abenteuer mit dem Velo und nach 1 km ein Halt. Ich kurz zu Roli, der noch grössere Verlegungschaot als ich; "Hast du alles?", um anschliessend gleich zu bemerken, dass mir der Rucksack fehlt. Schon wieder, wie letztes Jahr, als ich auf Tour war und ich meinen Rucksack am Rhein in der Nähe der Rheinfälle einfach liegen liess und die weitere Story kennen ja einige ...
Mit viel Tempo durch den Verkehr retour und die Frau von der Rezeption empfing mich mit einem breiten Lachen. Nun war auch ich ausgerüstet und ich sage euch gleich: Alles wird niemals in L. A. ankommen 😊
Startpunkt, knipsen, Asiaten die gleich mitknipsten, Leute, die sich interessierten und danach Block für Block, Ampel für Ampel raus aus Chicago. Wir waren die Exoten des Tages, denn Fahrräder sieht man schlicht und einfach keine. Rolis Navigation funktionierte bestens und so fuhren wir an einigen alten Diners vorbei. An einer Kreuzung trafen wir tatsächlich einen weiteren Velofahrer, ca. 30 Jahre alt, der uns fragte, wo es hingeht. Auf die Antwort, nach L. A., antwortete er: "Oh my Gooood“. Die Strassen, auf denen wir fuhren, wären bei uns Autobahnen und eines muss man sagen, die Amis nahmen Rücksicht auf uns und sie blieben immer cool mit dem Daumen nach oben. 30 km gefahren, der Verkehr etwas lockerer und die Laune mit den schönen Eindrücken bestens. Pause beim Aldi 😊, nebenan ein Harley Shop mit Übungsbahn für angehende 66 Fahrer.
Die traute Ausfahrt änderte sich nach ca. 35 km. Rolis Navigation ist zwar perfekt ausgearbeitet, aber was machen, wenn plötzlich die Brücke über den Des Plains River fehlt und wir weg von der eigentlichen Route kommen. Rolis Laune gegenüber der Technik änderte sich schlagartig, da sein Carmin nicht nachrechnete und es kamen keine Vorschläge, um zurück auf die Route zu kommen. So machten wir halt noch einige km mehr als nötig und zudem fuhren wir auf einem vielbefahrenen 4-spurigen Highway.
Habe ich schon erwähnt, dass wir den ganzen Tag Gegenwind hatten und gegen Abend frischte es natürlich noch auf. Als wir vor Joliet wieder auf die geplante Route stiessen, kam auch Roli wieder zum Busch hinaus und seine geliebten, vorgesehenen Stopps wurden wieder angefahren.
Höhepunkt sicherlich das geschlossene Gefängnis in Joliet. Dort wurde im Film Blues Brothers nämlich „Joliet“ Jake Blues (John Belushi) von seinem Bruder Elwood Blues (Dan Aykroyd) in einem ausgemusterten 1974er Dodge Monaco der Mount Prospect Police abgeholt, als er entlassen wurde. Obwohl wir heute einige Male das Strassenverkehrsgesetz überschritten haben, sahen wir das Gefängnis nur von aussen, trotzdem sind wir nun unterwegs im Auftrag des Herrn 😊.
Danach durch Joliet zum legendären Rialto Theater, dass 1926 eröffnet wurde und ab ging es auf Motel suche. 3 x ausgebucht, doch im Rodeway Inn fanden wir die Nachtruhe, die wir nach einer, auch mental, viel Verkehr, viele Ampeln, Umwege, 10 Stunden unterwegs, dafür aber keinen Tropfen Regen, schwierigen Fahrt verdient hatten.
Insiderwissen
Folgend Ortschaften durchquert man auf der Route 66 durch Illinois:
Chicago – Cicero – Berwyn – Lyons – McCook – Countryside – Indian Head Park – Welco Corners – Romeoville – Joliet – Elwood – Wilmington – Braidwood – Godley – Braceville – Gardner – Dwight – Odell – Cayuga – Pontiac – Chenoa – Lexington – Towanda – Normal – Bloomington – Shirley – Funks Grove – McLean – Atlanta – Lawndales – Lincoln – Broadwell – Elkhart – Williamsville – Sherman – Springfield – Glenarm – Pawnee Junction – Divernon – Farmersville – Waggoner – Litchfiled – Mt. Olive – Staunton – Hamel – Edwardsville – Mitchell – Granite City – Venice
Ursprüngliche Route (Chicago nach St. Louis):
Chicago - Chicago – Cicero – Berwyn – Lyons – McCook – Countryside – Indian Head Park – Welco Corners Romeoville - Joliet - Preston Heights - Elwood - Wilmington - Braidwood - Godley - Braceville - Gardner - Dwight - Odell - Cayuga - Pontiac - Chenoa - Lexington - Towanda - Normal - Bloomington - Shirley - Funks Grove - McLean - Atlanta - Lawndale - Lincoln - Broadwell - Elkhart - Williamsville - Sherman - Springfield - Chatham - Auburn - Thayer - Virden - Girard - Nilwood - Carlinville - Gillespie - Benld - Sawyerville - Staunton - Livingston - Hamel - Edwardsville - Collinsville - Granite City - Madison - Venice - East St. Louis
Spätere Route (Springfield nach St. Louis):
Lake Springfield - Glenarm - Divernon - Farmersville - Waggoner - Litchfield - Mt. Olive - Benld - Sawyerville - Staunton - Livingston - Hamel - Edwardsville - Collinsville - Granite City - Madison - Venice - East St. Louis
„Was bringt das denn überhaupt, die Route 66 zu fahren? Ein originales Teilstück der Route 66 existiert doch eh nur noch zwischen Seligman und Kingman im Bundesstaat Arizona.“
Gut, na schön, sehen wir uns dieses historische Schmuckstück doch einmal näher an:
Sieht nicht nur aus wie eine moderne Landstraße, sondern sie ist es auch. Auf neuem Asphalt führt diese gut ausgebaute breite Straße inklusive Seitenstreifen schnurgerade dem Horizont entgegen. Wow. Das ist ohne Übertreibung schon beeindruckend, denn so etwas haben wir in der Schweiz nicht, doch ist das weit entfernt vom Mythos Route 66? Man erwartet doch eher eine kleine Straße, wo man das Gefühl des Aufbrechens Richtung Westen unter erschwerten Bedingungen nachempfinden kann. Man erwartet Relikte vergangener Tage, verschlafene Orte, die von der vergangenen Glanzzeit zeugen. Oder etwa nicht?
Jetzt die gute Nachricht: Diese Teilstücke existieren noch! Nur mit dem Wegfall der offiziellen Markierung sind diese in Vergessenheit geraten, was sie dadurch in meinen Augen nur noch interessanter werden lässt. Man wird zum Entdecker. Und es gibt vieles zu entdecken.
„Jaja, einzelne kleine Stücke gibt es noch, aber meistens fährt man doch eh nur auf einer Frontage Road neben der Interstate.“
Wieder so ein schönes Vorurteil. Wer sich mal intensiver mit dem Routenverlauf auseinandergesetzt hat, wird feststellen, dass insgesamt 65,3% der Strecke fern abseits der Interstates verläuft. Nur 20,9% verlaufen als Frontage Road direkt neben der Interstate und 13,8% der Gesamtstrecke verbringt man auf der Interstate.
Und was dabei viele überrascht: Arizona kommt dabei gar nicht so gut weg. Innerhalb von Arizona führt 36,4% der Strecke über die Interstate, in Oklahoma dagegen nur 0,2%.
Der Grund: Im Osten ist die Ortsdichte höher, die untereinander mit einer klassischen Landstraße verbunden sind. Im Westen hat man sich dagegen vielerorts den Luxus verkniffen, mehrere Straßentypen parallel zu führen und hat die ehemalige Landstraße einfach nur um eine weitere Fahrbahn erweitert und daraus eine Autobahn gebildet.
Insiderwissen
Cicero
Einst war Cicero eine Gangsterhochburg zu Zeiten des Al Capone, der 1924 hierher zog, um dem Arm der Chicagoer Polizei zu entkommen. Unzählige Geheimtunnel durchzogen die Stadt. Heute ist Cicero aber gefahrlos zu besuchen. Einst nahm Cicero eine größere Fläche ein als heute, bevor sich Städte wie Oak Park oder Berwyn selbstständig machten.
Cindy Lyn Motel in Cicero
1952 eröffnete dieses Motel mit dem markanten Werbeschild in Form einer Malerstaffelei.
Henry's Drive In in Cicero
Bekanntes Restaurant, wo die Hot Dogs schon eine ganze Mahlzeit ausmachen. Erkennbar am großen Hotdog im Werbeschild.
Robin Hood Muffler Shop in Cicero
Alteingesessene Werkstatt, die schon zu Zeiten der glorreichen Route 66 Auspuffanlagen, Stoßdämpfer und mehr reparierten.
Berwyn
Die Gegend um Berwyn wurde erstmalig 1846 erwähnt, als man eine Straße von Chicago nach Ottawa, IL baute, doch die Entwicklung war recht zäh, weil niemand an sumpfigem Grasland interessiert war. Um die Attraktivität zu steigern, verkaufte man 1862 einiges Land an die Burlington and Quincy Railroad. Eine Eisenbahnlinie wurde dann auch tatsächlich 1864 eröffnet, hielt jedoch nur in LaVergne. In 1890 kauften Charles E. Piper und Wilbur J. Andrews aus Chicago größere Mengen Land, um es zu entwickeln. Und sie wollten, dass die Eisenbahn auch in ihrer Siedlung halten würde, doch diese hatte bereits einen Bahnhof in LaVergne, so dass auch hier Eigeninitiative gefragt war. 1901 bauten sie selbst einen Bahnhof und brauchten nun nur noch einen Namen dafür. Sie blätterten in einem Fahrplan aus Philadelphia herum und fanden den Namen "Berwyn" ganz nett, so dass sie ihre Siedlung nach dem Vorort von Philadelphia benannten. 1908 wurden Berwyn die Stadtrechte verliehen. In Berwyn gab es verschiedene Führungen der Route 66. Vor 1928 geradeaus über die Ogden Ave, nach 1928 wie auf der Karte abgebildet, links ab auf die Harlem und direkt auf die Joliet Road.
Lyons
In den 1980er Jahren noch war Lyons bekannt für seine Kriminalität, Korruption und Nachtclubs, doch schon ein Jahrzehnt später wurde der Ort gründlich umgekrempelt und sein Image poliert.
McCook
McCook wurde nach John J. McCook benannt, dem Direktor der Santa Fe Railroad im späten 19. Jahrhundert. Wie passend, denn in McCook wurden von 1935 bis 1991 Diesellokomotiven hergestellt. Nachdem der Mutterkonzern General Motors die Produktion nach London, Ontario verlegte, werden hier heute nur noch Einzelteile hergestellt.
Countryside
Bis 1871, als das große Chicagoer Feuer tausende Flüchtlinge in diese Region brachte, war die Gegend um Countryside einzig von Landwirtschaft geprägt. Um 1960 bekam Countryside Stadtrechte, nachdem immer mehr Industrien in das Chicagoer Umland zogen und nach dem Zweiten Weltkrieg einen wahren Bauboom auslösten.
Wishing Well Motel in Countryside
Das Wishing Well Motel wurde 1941 erbaut und bestand damals aus 10 separat stehenden Cabins. Es wechselte mehrmals den Besitzer, so auch 1958, als das Motel in den Besitz der Familie Vidas überging, die es modernisierten und die einzelnen Cabins zu einem Gebäude mit 19 Zimmern vereinigten. Vom Motel aus konnte man den Sears Tower von Chicago sehen, wohnte aber fernab der hektischen Großstadt gegenüber einem kleinen Wald, der zum Spazieren einlud. 2007 wurde es abgetragen und das Motelschild ins Route 66 Museum nach Pontiac gebracht.
Indian Head Park
Nördlich der Stadt existiert eins der letzten Camps der Potawatomi Indianer.
Welco Corners
Nach 1940 wurde die Route 66 über Plainfield geführt und damit Joliet umgangen. Meine Beschreibung folgt dem Verlauf vor 1940 durch Joliet, weil es erstens der ältere, historische Weg ist und zweitens, weil die Strecke wesentlich interessanter ist und einiges am Wegesrand zu bieten hat.
Hastert's White Fence Farm in Welco Corners
Restaurant seit den frühen 1920er Jahren, heute inklusive Streichelzoo und einem antiken Automuseum.
Romeoville
Ursprünglich hieß die in den 1830 gegründete Ortschaft "Romeo". Als jedoch der Nachbarort "Juliet" 1845 in "Joliet" umbenannt wurde, war es scheinbar mit der Liebe der beiden dahin, so dass auch "Romeo" umbenannt wurde. Der Ort rühmt sich gerne damit, dass der Kalkstein aus dieser Gegend benutzt wurde, um das State Capitol in Springfield, IL zu erbauen, weswegen Romeoville auch den Spitznamen "Stone City" (Steinstadt) trägt. Die Kalksteinvorkommen sicherte der kleinen Stadt ihr Überleben, bis sich der neue Baustoff Beton durchsetzte.
Joliet
Das 1834 gegründete Juliet wurde 1845 zu Ehren des kanadischen Entdeckers Louis Joliet umbenannt (der die Gegend 1673 erkundet haben soll) und eine "Städteliebesgeschichte" von Romeo und Juliet endete. In der Stadt kreuzten die zwei wichtige Bundesstraßen der USA, der Lincoln Highway (heute US-30) und natürlich die Route 66. Auch heute kreuzen sich zwei wichtige Autobahnen in der Nähe der Stadt, die parallel zur Route 30 und Route 66 gebauten I-55 und I-80, weswegen sich Joliet gerne "Crossroads of Mid-America" nennt und dies sogar im Stadtwappen steht. In der Stadt gibt es zwei schwimmende Casinos, die auf Booten im Fluss unterbracht sind, da die Rechtslage auf dem Wasser eine andere ist als an Land, was auch schon während der Prohibition zu schwimmenden Saloons führte. Außerdem zieren mehrere meterhohe Wandgemälde die Stadt.
Rich & Creamy Eisdiele / Route 66 Park in Joliet
Die Stadt Joliet restaurierte eine typische Eisdiele, wie sie zu Glanzzeiten der Route 66 mehrfach anzutreffen war und richtete dahinter den Route 66 Park ein, von dem das Collins Street Staatsgefängnis zu sehen ist. Es wurde 1858 erbaut und 2002 geschlossen. Berühmtheit erlangte es als Drehort für den Film "Blues Brothers" und die TV-Serie "Prison Break".
Ruby Street Bridge über den Des Plaines River
Die Brücke wurde 1935 erbaut und ist über 120m lang. Die Brücke kann für die Durchfahrt von großen Schiffen geöffnet werden. Direkt hinter der Brücke schließt sich die Innenstadt an.
Route 66 Welcome Center im Joliet Area Historical Museum in Joliet
Visitor Center, wo man eine Menge nützlicher Informationen über die Route 66 erhalten kann.
Rialto Square Theatre in Joliet
1925 wurde dieses Theater erbaut, in dem auch Al Capone gerne verkehrte. Das Foyer ist sehenswert und eine Anlehnung an den Spiegelsaal des Palastes von Versailles in Frankreich.
Bicentennial Park in Joliet
Park am Ufer des Des Plaines River mit Ausblick auf die Altstadt und den historischen Brücken. Er wurde 1976 zur 200 Jahrfeier der USA eröffnet.
Union Station in Joliet
1912 erbaut, stammt dieser Bahnhof aus der Glanzzeit der Eisenbahn. Der große pompöse Ballraum kann heute für Privatveranstaltungen wie Hochzeiten oder Firmenjubiläen gemietet werden.Heute steht der Bahnhof mit seinen über 15m hohen Wänden auf einer nationalen Denkmälerliste.
Jacob Henry Mansion in Joliet
Im Jahre 1876 baute der Eisenbahn-Tycoon Jacob Henry ein Eigenheim der Superlative mit 40 luxuriös eingerichteten Zimmern. Das Haus kann heute besichtigt werden und gilt als eins der besten Beispiele der Renaissance Wiedergeburt.
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Joliet, Illinois – Route 66 in the Chicago Suburbs - Legends of America
www.legendsofamerica.com/jolie...à